Der Dildo – vom Heilmittel zum Sextoy

von Julia Peppler
Foto: unsplash/Deon Black

Nofretetes Dildo soll aus reinem Gold gewesen sein, Marie-Antoinette bevorzugte feinstes chinesisches Porzellan und Katharina die Große hatte Historikern zufolge eine ganze Dildo-Sammlung – jeder einzelne gefertigt nach einem natürlichen Vorbild. Eine spannende Geschichte über den Dildo, den heutzutage mindestens 60% der Frauen in Deutschland besitzen.

Was ist ein Dildo?

Früher aus Stein geschlagen, aus Holz oder Geweihen geschnitzt, aus Glas oder Bronze gegossen, aus Terrakotta oder Ton gebrannt, fertigen Hersteller heute unser allerliebstes Spielzeug meist aus Silikon, PVC, Acrylglas oder Edelstahl. Somit ist der Dildo keine Erfindung der Neuzeit, wie archäologische Funde beweisen, sondern schon seit fast 30.000 Jahren im Einsatz.

Und obwohl die Phallus-Nachbildung in früheren Zeiten nicht bloß zur sexuellen Befriedigung eingesetzt wurde, blieb er im Laufe der Zeit dennoch was er abbildet: ein hübscher kleiner Lustbringer.

Die Geschichte des Dildos

Seit jeher ist der Dildo Teil zivilisierter Kulturen – als Objekt in der Poesie und der Literatur, Theater oder sonstiger Kunst.

Nicht erst seit über dreitausend Jahren, seit den alten Ägyptern kennt man nachweislich seinen Nutzen. Im Jahr 2005 wurde in einer Höhle auf der Schwäbischen Alb ein Dildo aus Silitstein ausgegraben – stolze zwanzig Zentimeter lang, drei Zentimeter dick und 28.000 Jahre alt.

Früher wurde der Dildo zwar auch für rituelle Zwecke genutzt oder als Werkzeug und Waffe, jedoch wusste man bereits in der Antike des sechsten Jahrhunderts vor Christi von der Wirkung des sogenannten olisbos (plural: olisboi) zur Steigerung des sexuellen Lustempfindens.

Auch das Alte China kannte Dildos – aus Porzellan, Jade oder Elfenbein, das bewiesen entsprechende Grabbeigaben aus der Zeit der westlichen Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 v. Chr.).

Heimlicher Siegeszug

Im Mittelalter galt jegliche sexuelle Aktivität in Europa als verrufen, solange sie nicht der Fortpflanzung diente – somit war auch die Nutzung von Dildos strengstens untersagt.

Den Beginn seines heimlichen Siegeszuges durch Europa im 16. bis 18. Jahrhundert verdanken wir wohl ausgerechnet Nonnen. Um das Jahr 1500 herum begannen sie, Dildos zu nutzen, um „das Nagen des Fleisches zu unterdrücken“, so berichtet es der italienische Schriftsteller Pietro Aretino.

Im eher prüden Europa hatten es die kleinen Orgasmus-Spender dennoch schwer. In höfischer Gesellschaft waren sie auch eineinhalb Jahrhunderte später noch nicht geduldet.

Traurige Episode

1670 wurden Dildos auf dem Weg zu einem englischen Sexclub abgefangen und sofort zerstört. Importiert wurden sie auf Bestellung von John Wilmot, dem zweiten Earl of Rochester (1647-1680). Auch wurden englische Frauen bestraft, wenn sie sich eigene Dildos herstellten.

Was ist der Unterschied zwischen Dildo und Vibrator?

Der Dildo erfuhr eine interessante Entwicklung, die aus dem manuellen, geschichtsträchtigen Spielzeug ein vibrierendes Heilmittel werden ließ:

Dildos – beziehungsweise Vibratoren – kamen gegen „psychische Erkrankungen“ zum Einsatz. Hierzu gehören allen voran die „Hysterie“, aber auch die Melancholie und die Nymphomanie. Bereits im Mittelalter galt die Hysterie als ein Zeichen sexueller Entbehrung. Einzige Heilung schienen hier eine „medizinische Beckenmassage“ oder Sex zu sein.

Um die schnellwachsende Beliebtheit der Behandlungsmethode zu unterstützen und die Ärzt:innen (!) zu entlasten, wurde der „Manipulator“ erfunden.

Mit Volldampf zum Orgasmus

Der amerikanische Arzt George Taylor ließ sich 1869 einen dampfbetriebenen Manipulator patentieren. Dieser war jedoch mit integrierter Matratze so groß, dass er nur in Kliniken zum Einsatz kam.

Etwas Handliches sollte es sein. So erfand Joseph Mortimor Granville nur wenige Jahre später den „Percuteur“. Dieser Vibrator funktionierte elektromechanisch und wurde mit Batterien betrieben. Er galt als medizinisches Hilfsmittel gegen Kopf- und Nervenschmerzen.

1913 erschien „The Sexual Impulse on Women“, eine Arbeit des britischen Arztes Havelock Ellis. In dieser behauptete er, dass etwa 75 Prozent aller Frauen unter der Krankheit Hysterie litten. Auf YouTube findet Ihr zu diesem Thema einen gelungenen Spielfilm: „Hysteria – In guten Händen“ mit der fabelhaften Maggie Gyllenhaal.

Der Vibrator wird salonfähig

Dutzende verschiedene Modelle der medizinischen Vibratoren wurden im Jahr 1900 auf der Weltausstellung in Paris präsentiert und noch zwei Jahrzehnte später massiv in Frauenmagazinen beworben. Das Gerät versprach sogar, die Schönheit der Frau zu erhalten.

Darf’s noch ein bisschen mehr sein?

1918 erfüllte sich ein Traum für die damalige Hausfrau: Das Unternehmen Sears, Roebuck und Company entwickelte ein Universalküchengerät, das durch verschiedene Aufsätze in einen Mixer, Aufschäumer oder Vibrator verwandelt werden konnte – ein echter Alleskönner.

Der batteriebetriebe Vibrator bleibt bis heute der mit Abstand beliebteste „Haushaltsgegenstand“. Wer nicht allein darauf vertrauen möchte, kann hier lesen, wie man das Liebesleben auch gemeinsam als Paar in Schwung bringen kann.

Übrigens: Hysterie wurde erst 1952 als medizinische Diagnose aus der Liste der Krankheiten gestrichen.

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