Die Last mit der Lust

von Helga Thauer
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Männer denken doch immer nur an das eine. Tatsächlich? In vielen Beziehungen ist es umgekehrt: Die Frau wäre durchaus bereit für mehr Zweisamkeit. Doch die Libido des Mannes hat sich im Alltagsgetümmel verabschiedet. Stress kann sich tatsächlich auf die Sexualität auswirken. Doch es wäre zu kurz gegriffen, alles nur auf den anstrengenden Job zu schieben. Und was bedeutet eigentlich Lustlosigkeit? Gar kein Sex? Weniger Verlangen, als die Partnerin? Oder weniger Sex, als der Durchschnitt? Wieviel Sex ist in einer Paar-Beziehung überhaupt „normal“?

Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass in puncto Sex schon der Beziehungsstatus eine Rolle spielen kann. So zeigt eine Umfrage bei mehr als 1000 Erwachsenen in Deutschland, dass unverheiratete Paare am häufigsten mehrmals pro Woche Sex haben (30%), während der größte Anteil der verheiratete Paare nur mehrmals im Monat Sex hat (27%). Täglich Sex hat bei beiden Gruppen nur ein sehr kleiner Prozentsatz, nämlich 6% der unverheirateten und 4% der verheirateten Paare. Und gar keinen Sex? Den haben laut dieser Umfrage mit 7% der verheirateten und 6% der unverheirateten auch nur wenige Paare.

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In Sachen Häufigkeit gibt es keine Norm

Fest steht: In Sache Häufigkeit gibt es keine Norm. Die vermeintliche Liebesformel „zwei Mal pro Woche“, die schon Martin Luther propagiert hat, können wir getrost vergessen. Ob ein Paar jeden Tag, zweimal im Monat oder nur an Ostern und Weihnachten miteinander schläft, spielt keine Rolle – solange beide mit dieser Frequenz einverstanden sind. Doch an diesem Punkt wird es kompliziert. Denn wenn SIE bereit ist für sexy Phantasien und ER in diesem Moment Müdigkeit oder eine lange To-do-Liste vorschiebt, ist das auf Dauer belastend für die Beziehung.

Viele Frauen fühlen sich dann nicht mehr begehrenswert oder nicht mehr geliebt. Das ist unschön fürs Selbstbewusstsein. Die Stimmung in der Beziehung kann an dieser Stelle kippen. Ein erster Schritt wäre deshalb, offen miteinander zu reden. Doch genau das fällt vielen Paaren schwer. Stattdessen hängt das Thema in der Luft. Es ist für beide spürbar, aber keiner löst die Spannung auf. Ist ja auch viel leichter, alles zu vertagen und auf bessere Zeiten zu hoffen, als darüber zu diskutieren, warum es im Bett nicht mehr läuft.

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Der Ursache auf den Grund gehen

Keine Lust auf Sex zu haben, ist für viele Männer ein Tabuthema. Es passt nicht zum Selbstbild des allzeit bereiten, starken Typen, zum Womanizer, zum Mann, der alles im Griff hat. Daher fällt es vielen schwer, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen und noch schwerer, in aller Offenheit mit der Partnerin darüber zu sprechen. Dabei kann sexuelle Unlust beim Mann viele Auslöser haben. Rein körperliche zum Beispiel, da der Testosteronspiegel mit zunehmendem Alter sinkt. Dies kann sich durch ein geringeres sexuelles Verlangen, Erektionsstörungen oder seltenere morgendliche Erektionen bemerkbar machen.

Auch eine Änderung der Lebenssituation kann Auswirkungen haben. Wenn aus einem Paar durch ein Baby plötzlich eine Familie wird, bringt das nicht nur Änderungen für die Mutter mit sich. Auch der frischgebackene Vater muss in seiner Rolle ankommen. Das kann zum echten Cockblock werden. Sex nach einer Geburt kann dann für beide Partner schwierig sein, wie Jeannine Mik in ihrem Blog „Mini and me“ schreibt.

Manchmal liegt der Auslöser auch bei einer Unzufriedenheit des Mannes über den eigenen Körper: Wo sich früher ein Sixpack abgezeichnet hat, ist im Laufe der Beziehung kuscheliger Bauchspeck entstanden. Markige Sprüche wie „Ein Mann ohne Bauch ist wie ein Haus ohne Balkon“ helfen nur vordergründig. Wenn er sich insgeheim selbst nicht mehr attraktiv findet, hat das auch Auswirkungen auf das Verlangen nach sexy Zeiten mit der Partnerin.

Was kann Frau tun?

Der wichtigste Rat ist: Nicht noch mehr Druck aufbauen! In Dessous oder mit Sextoys bewaffnet auf ihn zu warten, wenn er von der Arbeit kommt, geht mit großer Wahrscheinlichkeit nach hinten los. Wertschätzen und Komplimente machen statt kritisieren und drängeln, bringt da sicher mehr. Und vielleicht ist es für beide entlastend, ganz bewusst eine Sex-Pause zu verabreden. Dann kann ER auch einfaches Kuscheln wieder genießen, ohne bedrückende Gedanken wie „Jetzt muss ich gleich wieder leisten.“ im Hinterkopf zu haben. Und das ist letztlich für beide ein guter Schritt in die richtige Richtung.

By the way: In ihrem Blog „Sexualberatung-Lust-Liebe” gibt Dr. Elke Franzki viele Buch- und Videotipps für Paare, bei denen sich Lustlosigkeit breitmacht. Einfach mal reinlesen!

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