Gegen die Orgasm-Gap und für mehr Gleichberechtigung

von Julia Peppler
Foto: © iStock / Yakobchuk Olena

Gender gap, pay gap, orgasm gap? Gegen Ungerechtigkeiten muss etwas unternommen werden! Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern sollte eigentlich selbstverständlich sein. Dennoch bleibt sie in so vielen Hinsichten noch immer auf der Strecke. Das schließt Orgasmus-Ungerechtigkeiten nicht aus!

Denn dass Frauen – meist in heterosexuellen Beziehungen – auch seltener zum Orgasmus kommen, ist eine weniger öffentlich diskutierte Ungerechtigkeit.

Doch Gleichberechtigung ist ebenso im Bett wichtig.

Was versteht man unter Orgasm-Gap?

Die sogenannte „Orgasm-Gap“ (also, wortwörtlich Orgasmuslücke) ist nichts, was frau einfach so hinnehmen muss. Zugegeben: Weibliche Orgasmen sind komplexe Wunderwerke. Doch ist weibliche Lust kein Hexenwerk. Sie bedarf jedoch ein wenig Bemühung. Hierfür braucht man keinen Doktor in weiblicher Anatomie, Vulva-Wissenschaftler sein oder ein Orgasmus-Seminar besuchen. Auch muss man weibliche sexuelle Befriedigung nicht ins Detail erklären können. Aber vielleicht schadet eine kleine Kenntnis vom Unterschied zwischen Penetrationsakt und Vorspiel nicht. Und auf Partnerseite ein wenig Selbsterkenntnis. Denn Rein und Raus ist nicht alles.

Sexuelle Ungleichheit

Kommen Männer tatsächlich schneller und leichter in Stimmung als Frauen? Studien belegen, dass Frauen und Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, gleichermaßen auf Stimuli ansprechen – neurobiologisch gesehen. Der Unterschied liegt also hierbei nicht darin, wie Männer und Frauen sexuelle Erregung erleben, sondern wie sie sexuelle Erregung wahrnehmen und ihren Höhepunkt erreichen. (Mehr zur Studie der Max-Planck-Gesellschaft.)

Der kleine, feine Unterschied liegt in der genitalen Reaktion. Vor dem Geschlechtsakt an sich, brauchen die meisten Frauen zusätzliche Stimulation – beispielsweise durch Oralsex oder durch sonstige Berührungen. Leider bedeutet dieser „Mehraufwand“ nicht selten auch, dass wir zu kurz kommen.

Genauso ist es bei den heterosexuellen Orgasmen selbst: Der Orgasmus eines Mannes ist schnell da und noch schneller vorüber. In der Sexualmedizin nennt sich die Zeitspanne nach dem Orgasmus, in der die sexuelle Erregung abklingt, Refraktärphase. Die Refraktärphase von uns Frauen dauert länger. (So haben wir im Idealfall auch länger etwas von unseren Höhepunkten.)

Keine Orgasmusmythen:

95% der heterosexuellen Männer geben an, beim Sex immer zum Höhepunkt zu kommen. Bei heterosexuellen Frauen sind es lediglich 65%.

Übrigens: 89% der homosexuellen Männer und 86% der homosexuellen Frauen

(Studie der International Academy of Sex Research (IASR), 2017)

Sexuelle Gesundheit und Wohlbefinden

„Ich kümmere mich meist selber um meine Orgasmen“, sagte kürzlich meine beste Freundin. Im Bett sei ihr Freund nicht ausreichend bemüht und meist zu schnell fertig. Immer nur schnell rein und raus genügt nicht. Er will nicht verstehen, dass es keinen rein vaginalen Orgasmus gibt. Meine Klitoris interessiert ihn scheinbar nicht, sagt sie zynisch. Das ist schade! Denn sie hat recht: Entgegen mancher Quellen, gibt es keinen vaginalen Orgasmus ohne Einbezug der Klitoris.

Im Durchschnitt dauert der eigentliche Geschlechtsverkehr bzw. der penetrierende Geschlechtsakt bei heterosexuellen Paaren nur etwa drei bis fünf Minuten.

Falsche Vorbilder?

Auch hierbei spielen Medien eine große Rolle. Nicht nur durch Pornoeinfluss wird suggeriert, dass der Akt und auch die Erektion viel länger anhalten sollten – das gilt für beide Partner. Es kommt nicht darauf an, wen es zuerst zu befriedigen gilt. Gemeinsam ist das Zauberwort.

Denn kommt es nicht in Wirklichkeit viel eher auf das Drumherum an – Küssen, Berühren, sich emotional verbinden. Das lindert auch gleichzeitig den dadurch entstehenden enormen Orgasmusdruck.

Dass sie keinen Orgasmus vortäuschen will, nur um ihren Partner zufriedenzustellen, sagte kürzlich US-Schauspielerin Rachel Bilson. Sie selbst habe den ersten Orgasmus durch reine Penetration erstmals mit 38 Jahren erfahren.

Zeit zum Umdenken…

…liebe Männer! Aber auch liebe Frauen! Denn partnerschaftliche Kommunikation wäre hier das Zauberwort für beide Parteien. Eine klare und offene Kommunikation über sexuelle Bedürfnisse. Wer weiß, vielleicht führt es ja zu dem, was es bezwecken soll: Sexueller Zufriedenheit.

Sex ist wichtig und gesund. Neun gute Gründe, warum das so ist, lest ihr auf dem MINA-Blog.

Sexuelle Befriedigung in Beziehungen

Masturbation ist schön und eher selten unbefriedigend – und auch in Beziehungen durchaus wichtig. Nicht nur zum Zweck der Selbstbestimmung in der Sexualität. Doch denkt man im Bett weg von den klassischen Rollenvorstellungen beim Sex, dann lassen sich Masturbationstechniken auch wunderbar zu zweit nutzen.

Und an dieser Stelle überlasse ich das Weitere eurer Vorstellungskraft. Ich zumindest empfinde die Selbstverbindung während des Sex als ziemlich wichtig. Ob allein oder zu zweit.

Mut zur Lücke?

Bevor sich so etwas wie Unzufriedenheit chronisch einschleicht: Sprecht miteinander! Eu*re Partner*in wird es verstehen. Schließt endlich die Lücke/gap zwischen euch!

Orgasmuswissen zu teilen, macht Spaß! (Das gemeinsame Erforschen von diesem jedoch noch vielmehr.)

Ein effektiver BeGLEITer bei gemeinsamen Forschungsexpeditionen: https://www.kadefemina.de/produkte/kadehydro/kadehydro-befeuchtungsgel/

Interessant hierzu ist auch unser Interview mit der Sexualpädagogin Julia Henchen

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