Mentale Gesundheit von Frauen

von Julia Peppler

2021. Olympische Spiele in Tokio. Eine junge Frau schockiert die Welt: Simone Biles, eine vielversprechende US-amerikanische Turnerin, bricht den Wettkampf ab. Denn die psychische Belastung wurde zu groß…

Wir alle wissen, wie der Alltag manchmal über uns hereinbricht – sei es durch Stress im Job, den Druck, immer perfekt zu sein, oder die vielen großen und kleinen Herausforderungen, die das Leben uns so vor die Füße wirft. Oft sind es wir selbst, die von uns am meisten verlangen.

Da lässt uns der aktuelle Mental Health Report der AXA aufhorchen: Fast jede zweite Frau (49 %) gibt an, in keiner guten psychischen Verfassung zu sein.1

Was sind die Gründe dafür? Und was können wir für unsere psychische Gesundheit tun? Hand aufs Herz, Mädels – jetzt wird liebevoll Tacheles gesprochen.

Genderspezifische Belastungsfaktoren

Jede von uns hat ihre eigenen Herausforderungen. Denn jede von uns hat eine individuelle Lebensgeschichte und individuelle Lebensumstände. Auch die genetische Veranlagung trägt einen gewissen dazu Teil bei.

Doch die seelische Gesundheit von Frauen leidet oft zusätzlich unter den gesellschaftlichen Rollenerwartungen. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit gehören berufstätige Frauen oft zu denen mit der schlechtesten mentalen Gesundheit. Warum? Hier sind einige mögliche Gründe:2

  • Doppelbelastung durch Beruf und Familie
  • Unflexible Arbeitszeiten und mangelnde Kinderbetreuungsangebote
  • Fehlende Unterstützung durch Partner oder am Arbeitsplatz
  • Körperlich belastende Tätigkeiten und schlechte Arbeitsbedingungen

Immer Zirkus mit dem Zyklus?
Die Hormone und die Lebensphasen

Der weibliche Menstruationszyklus kann die Psyche stark beeinflussen. Gerade in sehr herausfordernden oder wechselhaften Lebensphasen ist das Risiko für psychische Erkrankungen besonders hoch, wie zum Beispiel:3

  • Schwangerschaft und Geburt
  • Wochenbett
  • Wechseljahre
  • Menstruationszyklus (Stichwort: Prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS), eine schwere Form von PMS)

Wenn ihr mehr über den weiblichen Zyklus erfahren möchtet, lest hier weiter.

Exkurs: Was hat es mit geschlechterspezifischer Medizin auf sich?

Gendermedizin ist ein Ansatz, der die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Diagnose, Behandlung und Prävention von Krankheiten berücksichtigt. Frauen und Männer können auf medizinische Behandlungen unterschiedlich reagieren, weil ihre Körper anders funktionieren – sei es aufgrund von Hormonen, Genetik oder dem Stoffwechsel.

Ein Beispiel: Frauen werden bei der Behandlung mit Psychopharmaka oft überdosiert, da die Dosierungen häufig auf Männer ausgelegt sind.4 Deshalb ist es wichtig, während der Therapie den Blutspiegel im Auge zu behalten.

Okay, aber was können wir tun, um unsere mentale Gesundheit zu stärken?

Wichtig ist, dass wir ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anspannung und Entspannung finden und unsere persönlichen Kraftquellen nutzen.5 Es hält sich der hartnäckige Mythos, dass zu viel Arbeit Stress verursacht – das kann stimmen. Aber viel wichtiger ist, ob wir uns neben der Arbeit auch genug Pausen gönnen, um wieder Energie zu tanken. Doch viel entscheidender ist, ob wir uns neben der vielen Arbeit auch ausreichend Erholungsphasen einräumen.

Lest hier fünf Mythen zum Thema Stress.

Selfcare: Mehr als nur eine Maske am Sonntag

Selfcare ist mittlerweile ein echtes Buzzword geworden, aber was steckt wirklich dahinter? Es geht nicht nur um die Maniküre oder das Gesichtsmasken-Selfie auf Instagram. Klar, das ist auch schön, aber echte Selfcare ist viel mehr. Es bedeutet, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu respektieren. Und das nicht nur ab und zu, sondern regelmäßig.

So integrierst du Selfcare in deinen Alltag

  1. Mach dich zur Priorität: Jeden Tag ein paar Minuten nur für dich – ob für einen kleinen Spaziergang, eine Tasse Tee in Ruhe oder einfach, um mal tief durchzuatmen.
  2. Lerne, Nein zu sagen: Du musst nicht immer und überall dabei sein. Es ist völlig okay, auch mal abzusagen und dir eine Pause zu gönnen.
  3. Schaffe gesunde Gewohnheiten: Regelmäßiger Schlaf, gutes Essen und Bewegung sind Basics, die deine mentale Gesundheit enorm stärken.
  4. Digital Detox: Nimm dir regelmäßig eine Auszeit von Social Media. Das kann so befreiend sein und hilft dir, den Kopf freizubekommen.
  5. Rede darüber: Nimm dir eine Freundin zur Seite und spreche dich aus. Wenn es gerade nicht persönlich geht, dann gerne über Telefon. Es kann immer wieder überraschen, wie gut es tut sich einer netten Seele anzuvertrauen.
  6. Und wenn alles zu viel wird: Notbremse ziehen;

Spitzensportlerin Simone Biles brach die olympischen Spiele 2021 ab, weil sie „Twisties“ erlitt – eine mentale Blockade bei der Turner*innen die Kontrolle über ihren Körper in der Luft verlieren und nicht mehr in der Lage sind, eine Drehung auszuführen, die sie schon unzählige Male zuvor gemacht haben. Das kann für Turner*innen lebensgefährlich sein. Sie zog die Notbremse.

„Es ist wirklich wichtig, dieses Unterstützungssystem zu nutzen und zu wissen, dass es für einen da ist und nicht gegen einen, denn schließlich hassen wir Menschen es, um Hilfe zu bitten“, so Biles in einem Interview mit der Today Show.6

Wenn es dir anhaltend schlecht geht, du das Gefühl hast nicht mehr weiterzukommen, dann nimm professionelle Hilfe in Anspruch. Sprich dazu gerne zunächst mit deinem Hausarzt/deiner Hausärztin. Besonders in dringenden Fällen stehen sie mit Rat und Adressen bereit.

Unterstützung und Begleitung in schwierigen Situationen und Lebenslagen bietet beispielsweise die TelefonSeelsorge unter 0800 1110111 oder 0800 1110222.

Nicht nur via Telefon und auch Vor-Ort, sondern über Mail und Chat und als App – der KrisenKompass.

Zusammen sind wir stärker

Lasst uns offen über das sprechen, was uns belastet, und uns gegenseitig unterstützen. Der AXA-Report zeigt, dass wir nicht alleine sind mit unseren Sorgen und Stress. Also, lasst uns auf uns selbst achten und Selfcare nicht nur als Trend sehen, sondern als festen Bestandteil unseres Alltags. Denn nur wenn wir gut für uns selbst sorgen, können wir auch für andere da sein.

„Wir denken, dass wir es alleine schaffen, aber manchmal können wir es einfach nicht. Also nutzt jede Möglichkeit, die sich euch bietet.“ – Simone Biles, Olympia-Geräteturnerin und 7-fache Gold-Medaillengewinnerin.6

Übrigens: Nach einer Pause kam Simone Biles mental gestärkt zu den Olympischen Spielen 2024 zurück und gewann vier Medaillen. Dreimal Gold und eine silberne.

Gebt auf euch Acht.

Was ist Stress eigentlich? Und gibt es auch guten Stress? – Das könnt ihr hier nachlesen.

 

Die Quellen

  1. AXA Deutschland. AXA Mental Health Report 2024. AXA Deutschland https://www.axa.de/presse/mediathek/studien-und-forschung/mental-health-report-2024.
  2. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Work-Life-Balance. Frauengesundheitsportal https://www.frauengesundheitsportal.de/themen/psychische-gesundheit/psychisch-gesund-bleiben/work-life-balance/ (2024).
  3. Vivantes – Humboldt-Klinikum. Zentrum für Seelische Frauengesundheit in Berlin-Reinickendorf. https://www.vivantes.de/humboldt-klinikum/ambulatorium/zentrum-seelische-frauengesundheit.
  4. Ärzteblatt, D. Ä. G., Redaktion Deutsches. Gesundheit von Frauen (I): Der „kleine“ Unterschied… Deutsches Ärzteblatt https://www.aerzteblatt.de/archiv/26690/Gesundheit-von-Frauen-(I)-Der-kleine-Unterschied (2001).
  5. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Psychische Gesundheit. Frauengesundheitsportal https://www.frauengesundheitsportal.de/themen/psychische-gesundheit/.
  6. Simone Biles, an unexpected advocate for mental health. Pennsylvania Psychiatric Institute https://ppimhs.org/newspost/simone-biles-an-unexpected-advocate-for-mental-health/.

 

 

 

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