Ich lieb Dich trotzdem – wie Mütter die Trotzphase überstehen

von Claudia Scheidemann

Auf der einen Seite wünschen sich Eltern starke und durchsetzungsfähige Kinder. Auf der anderen Seite ist es extrem anstrengend, wenn sich der kleine Sonnenschein im Supermarkt schreiend auf den Boden wirft, sobald der gewünschte Schokoriegel zurück ins Regal wandert. Sollen Eltern immer auf die Wünsche ihrer Kinder eingehen und alles ausdiskutieren? Oder ist irgendwann einfach Schluss mit lustig? Wo sind bei Euch die Grenzen? Katharina (33) und Jenny (36) sehen das sehr unterschiedlich. Beide schreiben hier über ihre Sicht der Dinge.

Katharina: „Geduld bringt mehr als Schreien“

Ja, Trotzanfälle sind schwer auszuhalten. Das Gute an ihnen ist: Sie gehen vorbei. Wenn ich als Erwachsene mein schreiendes Kind selbst anschreie, eskaliert die Situation nur noch mehr. Außerdem bin ich für mein Kind direkt ein Negativ-Beispiel. Was soll es von mir lernen, wenn ich selbst laut bin? Erstaunt bin ich, wenn ich Eltern begegne, die ihr Kind anbrüllen: ‚Hör‘ jetzt auf zu weinen.‘ Da frag‘ ich mich schon, was das bringen soll. Ich kenne kein Kind, das dann wie auf Knopfdruck mit dem Weinen aufhört.

Mein Sohn Philipp ist jetzt dreieinhalb. Wenn er trotzt, versuche ich, entspannt zu bleiben. Okay, das ist nicht immer leicht. Aber ich achte zum Beispiel bewusst auf eine ruhige Stimmlage. Ich tröste Philipp und zeige Verständnis für ihn. Bei meiner Meinung und meinen Regeln bleibe ich aber trotzdem. Das klingt dann ungefähr so: ‚Klar ist das für Dich spannend, mit Deinen Autos über den Wohnzimmertisch zu fahren. Dadurch machst Du aber Kratzer ins Holz und das möchte ich nicht.‘ Und dann muss ich natürlich eingreifen, sobald er die Autos wieder auf den Tisch stellt.

Wenn Philipp sich völlig in Rage geschrien hat, bekommt er eine Auszeit in unserem Gästezimmer. Da steht nichts herum, woran er sich verletzten könnte. Dem alten Sofa machen ein paar Tritte oder Fausthiebe nichts aus. Ich sage ihm, dass er gerne sofort wieder zu mir kommen kann, wenn er sich beruhigt hat. Die Tür lasse ich offen. Wenn Philipp merkt, dass er kein Publikum mehr für seinen Trotzanfall hat, kommt er nach ungefähr einer Minute wieder heraus und wir widmen uns einem anderen Thema.

Wenn er auf dem Spielplatz einem anderen Kind mit einer Schaufel wehtut, nehme ich ihm die Schaufel ab und er muss für eine Weile neben mir sitzen. ‚Distanz‘ heißt unser Zauberwort. Das klappt ganz gut. Er muss lernen, dass sein Handeln Konsequenzen hat. Und Lernen durch Anschreien, das kann doch gar nicht funktionieren.

Jenny: „Manchmal hilft nur noch ein Machtwort

Wenn Kinder etwa eineinhalb Jahre alt sind, fängt sie an, die gefürchtete Trotzphase. Ich bin froh, dass ich bei meinen beiden Kindern heute einigermaßen durch bin. Anton ist jetzt vier. Bei ihm war die Trotzphase eigentlich gar nicht so schlimm. Vielleicht kam er mir aber auch weniger strapaziös vor, weil meine Ältere, Maja, mich in dieser Zeit so oft auf die Palme gebracht hat. Der Schrei-Rekord liegt bei 120 Dezibel. Gefühlt, würde ich sagen, lag Maja nicht weit darunter. Der Lärm einer Kreissäge war nichts dagegen – und die Anlässe für ihre Schrei-Attacken waren häufig.

Immer wenn Maja etwas nicht bekam, was sie wollte, oder wenn sie etwas tun sollte, was sie partout nicht wollte – zum Beispiel selbst laufen, statt getragen werden – ging es los. Und da sollte ich als Mutter ruhig bleiben und auf Augenhöhe diskutieren? Sorry. Ich bin kein Roboter.

Ich finde, als Mutter kann man dem Kind auch mal zeigen, dass die Nerven blank liegen. Außerdem: Mit Menschen unter 110 cm Körpergröße diskutiere ich nicht. Die sind noch viel zu klein. Mehr als einmal habe ich mich gefragt, ob ich als Mutter vielleicht was falsch mache. Aber dann lese ich, wie es anderen geht und merke: Alles noch im grünen Bereich. Der Blog mamasdaily von Yvi Kej war für mich immer sehr tröstlich. Ihr könnt hier ja selbst mal lesen.

Heutzutage dürfen Kinder viel zu früh viel zu viele Dinge entscheiden: ‚Soll der Papi im Auto hinten bei Dir sitzen oder die Mami?‘ Was ist das denn für eine Frage? Ich bestimme, wo ich sitze, nicht mein Kind. Deshalb frage ich nach vielen Dinge erst gar nicht. Und beim Einkaufen gibt es grundsätzlich keinen Schokoriegel an der Kasse. Nie. Für Schokolade ist Oma zuständig. Punkt.

Früher bekamen Kinder einen Klaps auf den Po, wenn sie sich mit ihrem Geschrei völlig in eine Sackgasse manövriert haben. Das würde ich nicht machen. Aber selbst mal laut werden und die eigenen Emotionen zeigen, das finde ich in Ordnung.

Jetzt bloß nicht in die Perfektionismus-Falle laufen

Egal, wie Ihr mit der Trotzphase Eurer Kinder umgeht – jeden Tag Zickigkeit aushalten, den Haushalt organisieren, die Arbeit stemmen und dabei stets gute Laune behalten, geht auf die Kondition und kann langfristig sogar die Gesundheit beeinträchtigen. Versucht deshalb, nicht immer alles perfekt machen zu wollen. Denn entweder seid Ihr dann bald reif für die Insel oder reif für die Erkenntnis, dass das Leben mit Kindern gar nicht perfekt sein muss, sondern einfach nur schön. Und ganz ehrlich: Unsere Kinder lieben wir sowieso, egal in welcher Phase.

By the way: Nathalie Klüver ist Buchautorin und schreibt einen erfrischenden Blog zum Thema „eine ganz normale Mama“. Als Mutter von drei Kindern nimmt sie das Leben, wie es kommt – vor allem mit viel Humor.

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