Das erste Mal – das sollte dein Kind wissen!

von Susanne Schneider
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Das Thema Sex ist in der Pubertät allgegenwärtig. Im Spannungsfeld von hohen Erwartungen und Ängsten gilt es, die erste sexuelle Erfahrung zu einem Genuss zu machen. Knapp 70 Prozent der jungen Frauen deutscher Herkunft haben im Alter von 17 Jahren ihr „erstes Mal“ bereits hinter sich. Bei 17-Jährigen mit ausländischen Wurzeln sind es 37 Prozent.1 Können und sollen Eltern hier wirklich Einfluss nehmen?

Nie gab es so vielfältige Möglichkeiten zur Aufklärung wie heute. Einen Großteil übernimmt das Internet. Dennoch sollten Eltern die Kommunikation mit Teenagern über Sexualität nicht ausschließlich anderen überlassen. MINA macht Mut, Scham oder Sprachlosigkeit zu überwinden.

  1. Pubertät und die erste große Liebe – was tun als Eltern?

Der wichtigste Tipp: Ruhe bewahren und da sein, wenn das Gefühlschaos groß ist. Natürlich kann es enttäuschend sein, als Mutter oder Vater nicht mehr die erste Geige zu spielen, wenn die erste Liebe in der Tür steht. Klassische Elternängste kommen auf:

  • Ist der*die Partner*in überhaupt richtig und passend?
  • Ist das Kind nicht zu jung für eine Beziehung?
  • Bedeutet Beziehung auch Intimität? Erotik? Sex?
  • Und was wird aus der Schule, wenn das Kind den Kopf in den Wolken hat?

Dennoch gilt: Jetzt nicht überreagieren – weder in die eine Richtung: „Wir müssen sofort übers Schwangerwerden sprechen!“, noch in die andere: „Du bist noch viel zu jung. Eine Beziehung kommt gar nicht in Frage!“ Wenn dir die Partnerwahl nicht gefällt, frage nach: „Was gefällt Dir an ihm*ihr? Was begeistert dich?“ Biete dich als Gesprächspartnerin an – aber dränge das Gespräch nicht auf.

  1. Wie kann ich als Elternteil mein Kind in seiner Sexualität begleiten?

Gespräche über Sexualität beginnen nicht erst in der Pubertät. Die Normen und Werte in Bezug auf Sexualität erleben Kinder häufig schon durch das Vorbild der Eltern: Ist Sex ein Tabu in der Familie? Oder ist die Eltern-Kind-Beziehung eher unverkrampft, was sich zum Beispiel daran zeigt, dass Geschlechtsorgane beim richtigen Namen genannt werden, nämlich Penis oder Vagina, und nicht Pullermann oder Mumu.

Wenn durch Tabuisierung die Sexualerziehung zu Hause nicht stattfindet, suchen Kinder Antworten auf ihre Fragen an anderer Stelle: in der Schule, bei Freund*innen – und natürlich im Internet.

  1. Wie kann ich mit meinem heranwachsenden Kind über Sexualität

    reden…

…vor allem, ohne zu sehr in seine Privatsphäre einzugreifen? Hier hilft aktives Zuhören, um herauszufinden, wie der Gesprächsbedarf ist, was das Kind schon weiß und woher es sein Wissen hat. Für viele schockierend: Kinder sind hierzulande im Schnitt 12 Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal pornografische Inhalte konsumieren. Jedes dritte Kind zwischen 11 und 17 Jahren hat bereits einen Porno gesehen.2

Bedenklich ist, dass zwei Drittel der Kinder Pornos für realistisch halten2 – in einem Alter, in dem sie sich körperlich verändern, emotional instabil sind und das, was sexuell normal ist, noch gar nicht selbst erfahren haben.

Tipp: Den informativen Eltern-Leitfaden „Voll Porno!“ für einfühlsame Gespräche zum Thema Sex in der Pubertät gibt es hier kostenlos zum Download.

  1. Welche Mythen kursieren unter Jugendlichen über Sexualität?

Das erste Mal wird häufig stark mystifiziert. Vor allem um das „Jungfernhäutchen“ gibt es die Mär, dass dieses beim ersten Sex vom Penis „durchstoßen“ wird und deshalb blutet. Tatsächlich handelt es sich beim Hymen – so heißt das Jungfernhäutchen medizinisch korrekt – um eine elastische Haut rund um den Scheideneingang. Diese ist bei Frauen mehr oder weniger ausgeprägt vorhanden. Etwa die Hälfte der Frauen blutet beim ersten Mal übrigens gar nicht.3

Auch Schmerzen beim ersten Mal müssen nicht zwangsläufig sein. Sie entstehen meist, wenn die Erregung nicht groß genug ist. Sex ist deshalb mehr als vaginale Penetration. Streicheln, Kuscheln oder Petting gehören unbedingt dazu. Und: Sex findet nur dann statt, wenn BEIDE „Ja“ gesagt haben. Dazu sollte es keine Diskussionen geben.

Die Sache mit dem Orgasmus

Zur Unterstützung der jugendlichen Entwicklung solltest du auch dieses Thema ansprechen. Vor allem Filme und Medien prägen unser Bild, dass zum perfekten Liebesspiel der gemeinsame Höhepunkt gehört. Tatsächlich bekommen aber 75 Prozent der Frauen keinen Orgasmus. Das sollten junge Mädchen wissen, damit sie nicht glauben, mit dem eigenen Körper sei etwas nicht in Ordnung.

Mehr zum ausbleibendem Orgasmus bei Frauen könnt ihr in unserem Beitrag zum Thema „Orgasm Gap“ nachlesen.

  1. Wie können Eltern mit ihren Kindern über sexuelle Orientierung

    sprechen?

Eltern brauchen Vertrauen in ihre Kinder, wenn sich das eigene Kind als lesbisch, schwul oder bisexuell outet. Wenn du diesbezüglich eine Vermutung hast, warte, bis dein Kind mit dem Thema auf dich zukommt. Jedes Kind braucht hier seine eigene Zeit – deine Rolle ist, dein Kind zu unterstützen.

Fundierte Hintergrundinformationen gibt es auf der Seite loveline.de. Hier findest du auch einen Test zur sexuellen Orientierung, der nicht nur für Jugendliche interessant ist.

Gespräche über sexuelle Gesundheit

Wenn du möchtest, dass dein Kind den eigenen Körper annimmt, das eigene Lustpotenzial entdeckt und selbst verantwortungsvoll mit dem Thema Sexualität umgeht, wird es nicht reichen, zum Zeitpunkt X ein Aufklärungsgespräch zu führen und das Thema dann ruhen zu lassen.

Dein Kind sollte sich trauen, mit seinen Fragen immer auch auf dich zukommen zu können. Gespräche schaffen Vertrauen – und das ist ein prägendes Gefühl weit über die Pubertät hinaus.

Quellen:

  1. www.bzga.de
  2. www.klicksafe.de
  3. www.fachstelle.at

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